#HockerChallengeKWM




Im Dezember 2023 zeigte mir meine Frau in der Zeitung einen Artikel mit einem Aufruf für eine Mitmachaktion des Kaiser-Wilhelm-Museum (KWM) in Krefeld. Wenn jemand den Hocker des berühmten Architekten Lauweriks nachbauen würde, so würde dieser in der laufenden Ausstellung ausgestellt. Einmal ein Objekt von mir im KWM? Ein Traum. Und ich träumte von da an von meinem Hocker im KWM. Ich fing an konkreter zu werden und die Machbarkeit zu prüfen, denn es solle ein leuchtender Hocker werden, ein Lichtobjekt. Mit der Programmierung war ich vertraut und einige Lichtobjekte hatte ich schon gebaut, aber kannte einige Techniken nicht, wie das Biegen von Acryl. Ich entschloss mich trotzdem und fing vorsichtig an.



Der mitgelieferte Plan sah ja nicht so schwer aus. Alles 40 mm Stäbe und dann auch noch ein Kinderhocker, der nur 40 cm hoch war. Aber konnte ich solch kleine Profile in Acryl selber biegen und dann noch Maßgerecht? Wo die ganze Kabelflut unterbringen? Wie die Kabel verlegen, wenn es halbtransparent sein sollte? Zudem muss die Datenleitung alle LED´s in Reihe abfahren. Wie soll ich da alle Stäbe abfahren? Rauf, runter, hin und her?

  

Acryl-Biegevorrichtung bauen 

Wie Arcyl biegen? Ich suchte bei Youtube und fand eine ganz einfache Biegevorrichtung, da ich ja keine komplizierte Acrylbiegemaschine bauen wollte, sondern eine komplizierte Lichtmaschine. Die Acrylbiegemaschine sollte möglichst schnell da stehen. Ich habe allerdings keine Feinspanplatte, wie im Video, sondern Grobspan genommen. Wie man im Video sehen kann, kriegt man da Schrauben schlecht zum Halten.

Anleitung Biegemaschine von Dietec (Danke dir für deinen Anschub)

Eigentlich geht es lediglich darum einen heißen Draht möglichst genau unter der zu biegenden Platte zu platzieren. Wenn das Acryl weich geworden ist, klappt man eine Seite hoch und bringt es in den richtigen Winkel und hält das fest, bis es wieder unelastisch ist. Fertig. Also, dass klang ja nun wirklich einfach! Wenn man dann loslegt, ist es nicht mehr so einfach.

KLAR. Man muss die Vorrichtung danach bauen, wie lang die Objekte werden sollen, die man biegen will, ansonsten kriegt man sie ja nicht auf den Tisch gelegt.

Alles bestellt und dann gemerkt, dass mein Netzteil für den Heizdraht bei Weitem nicht ausreicht. Heizdraht heizt nicht. Man braucht ein Netzteil mit 12 V, 10 A. Nächste Bestellung.

Welches Netzteil, Heizdraht ?

Bei mir wird der Draht heiß, aber nur wenig glühend. U.U. ist der Widerstand etwas zu groß, oder der Draht zu lang. Ich habe mich nach einiger Zeit an etwas längere Heizzeiten gewöhnt.

  

Acryl, was ist das?

Da ich damit schon vorher gearbeitet hatte (ohne Biegerei), entschied ich mich wieder zu 3 mm halb durchlässig, weil ich ja alles hinterleuchte, zudem ich es auch im Baumarkt um die Ecke bekomme. Dünneres ist mir zu wackelig und dickeres passt nicht zu meinen oft filigranen Objekten. 3 mm kann ich noch prima mit meiner kleinen Proxxon Kreissäge zerteilen. Man kann es prima bohren und es ist erstaunlich stabil. 

Beim Kauf darauf achten, dass es wirklich Acryl ist und nicht Hobbyglas, das meist aus Polycarbonat oder Polystyrol besteht. Es gibt bei Kunststoffen zwei Varianten: Duroplasten (lassen sich nicht thermisch biegen) und Thermoplasten wie Acryl. Einfach zu raten, was wir zum Biegen brauchen.

Es steht auf den Platten wirklich das Wort Acryl (bei mir Gutacryl).
Bei Mattglas steht auch ein Opalwert drauf, also wie durchlässig es ist. Bei mir Opal 64. Wenn man nachkauft, wäre es ja schlecht, wenn die neue Platte eine andere Durchlässigkeit hätte.

ALSO! Wenn man Biegen will, auf keinen Fall sogenanntes Bastel- oder Hobbyglas kaufen. Das ist Polycarbonat oder Polystyrol und kein Polyacryl. Es fühlt sich härter an der Oberfläche an.

  

Erste Biegeversuche 



Erste vielversprechende Biegeversuche und erster Versuch mattes Acryl zu biegen. Erster Versuch mit der Rückwand auf die ich die LED-Stripes kleben will. Kleben wollte ich nicht, da ich dachte, u.U. noch einmal an die Verkabelung kommen zu müssen, deshalb die Idee mit den Kabelbindern. Montage geht auch ziemlich schnell. Kleber sehr gut zu sehen, wenn rumgekleckert wird und man das hinterleuchtet.

Erstes Problem. Die Schenkel waren alle zu lang und die Stirnseite zu kurz, obwohl ich brav einen Riegel mit 80 mm gebogen hatte. Ich musste nach Vorlage ein Seitenmaß von 40 mm einhalten (naja, plus minus 1 mm). Es hat mich einigen Grips gekostet, bis es mir eingefallen ist. Man biegt auf der Innenseite des Winkels. Wenn man einen Winkel mit je 40 mm haben will und einen Streifen mit 80 mm in der Mitte biegt, hat man, oh Wunder, zwei Schenkel mit 43 mm Außenmaß. Innen hat man jedoch immer noch je 40 mm, aber es kommt ja noch die Wandstärke dazu. Wenn man jedoch die Wandstärken am Schenkel abzieht (2 * 37 mm), also 74 mm in der Mitte biegt, klappt das erstaunlich gut.

(Noch komplizierter wurde es bei meinen Rechteck-U-s, weil ich diese Vorgehensweise doppelt einrechnen musste. Also einen Streifen mit 11,1 schneiden, den man von beiden Seiten jeweils bei 37 mm biegt.
U.U: biegst du ja nur irgendetwas, wo es nicht so exakt auf das Maß ankommt. Ich hätte alles auch noch auf Maß sägen können, aber so war es ja einfacher.)

  

Biegen von Acryglas. 

Ich arbeite mit 3 mm Platten. Markierungen beidseitig machen, dann jede Seite 5 Minuten aufheizen. Man musste viel länger heizen, als ich dachte. Das kann aber auch an unterschiedlichen Heizdrähten liegen oder der Länge des Heizdrahtes. Also mal ran tasten. Beim einseitig heizen wird das schneller hart, der Radius auch größer und man hat wenig Zeit. Bei mir wird der Heizdraht wenig glühend und man kann nur im Dunkeln sehen, dass er leicht dunkelrot wird. Ich denke, dass das so OK ist. Ich will ja nicht grillen oder die Platten verschmoren. Lange Teile müssen etwas beschwert werden, damit sie plan liegen und über die ganze Länge aufheizen. Wenn die Zeit abgelaufen ist, das Netzteil ausschalten. Kurze Teile habe ich dann einfach mit der Hand gebogen. Das muss schnell gehen. Nach ca. 30 Sekunden ist es so weit wieder hart. Ich habe das meist schnell an einer Ecke den rechten Winkel überprüft auf beiden Seiten. Den rechten Winkel mit der Biegeeinrichtung zu machen klappt nicht richtig, da das Material immer wieder etwas zurückklappen will. Besser schnell mit dem Auge schauen, prüfen, schauen. Fertig. Bei langen (bei mir 36 cm) klappt das nicht mehr, weil alles krumm und schief wird. Da besser den Winkelarm heben, das Material fest in den rechten Winkel drücken. Leicht über den rechten Winkel biegen und schauen, ob es so bleibt. Wenn es stehenbleibt, schnell gleich Prozedur und rechten Winkel prüfen, biegen, schauen.



Mit feinem Filzer von allen Seiten Markierungen machen. Genau über dem Heizdraht platzieren. Längere Teile leicht beschweren. Nach dem Biegen direkt Winkel prüfen. U.U. schnell korrigieren. Fertig.

  

AH! Das Acryl bricht beim Biegen

Ja, ich gebe zu, das ich zum Teil ziemlich brutal gebogen habe, oder kurz vor Knapp noch etwas gerichtet. Das klappte auch gut, bis es mir zweimal einen Winkel zerbrochen hat. Klar: ich musste deshalb eine neue Platte anbrechen (haha, Wortspiel), neu ansägen. Kosten ja nur 25 € je. Und es war meine letzte.
Was hatte ich nur falsch gemacht? Oder hatte ich etwas anders gemacht, als vorher? Es ist mir dann eingefallen. Während ich die ersten Platten mit einem spitzen Filzer markiert hatte, bin ich dann dazu übergegangen, die Markierungen mir einem Cuttermesser zu machen, brav auf den Stirnseiten und beidseitig. Ich hatte die Sollbruchstelle markiert, was auch brav funktioniert hatte. Es war genau an dieser Stelle gebrochen. Also: keine Markierungen mit dem Cuttermesser beim Acrylbiegen: Pfui!



Endlich wird es elektrisch: LED-Stripes Ws2812b


(oben 60 led´s/m, 30 LED´s/m, vergossen, als Matten)

Meine Beleuchtungen basieren alle auf diesen RGB-LED´s. Sie können alle Farben darstellen, weil sie eigentlich aus drei LED´s bestehen. Aus einer roten, grünen und blauen LED, deshalb RGB. Ebenso kann man die Helligkeit übermitteln. Die LED´s sind schon auf Streifen (Stripes) aufgelötet und Ready-To-Go. Es gibt sie auf Rolle und man kann sie an bestimmten Stellen einfach durchschneiden und kürzen, aber auch mit Kabeln verlängern. Es gibt sie in unterschiedlicher Anzahl je m und auch als Matten. Sie haben die Besonderheit, dass jede einen kleinen Speicher hat, der Farbinformationen behalten kann. Wenn die ankommende Information nicht für sie bestimmt ist, geben sie diese an den Nachbarn weiter, bis der Adressat erreicht ist. Deshalb ist immer D-in und D-out markiert, weil es eine Datenrichtung gibt. LED Nummer 58, hier sind deine Daten. So ungefähr und vereinfacht. Das geht extrem schnell, wodurch auch die großen Video-Wände möglich wurden, die auch mit diesen bestückt sind. Dann gibt man mit einem Befehl alle LED´s frei und alle zeigen gleichzeitig ihre gespeicherte Information.

Nicht Tech´ies hier überspringen:
-------------------------------------------------------------
Es gibt für die Information RGB drei Werte, die jeweils 0 bis 255 haben können und für jede LED übermittelt werden.

R G B
0 0 0 alles aus
255 0 0 Rot volle Kraft
125 0 0 Rot gedimmt auf 50%
0 0 255 Blau volle Kraft
100 100 100 Weiß gedimmt
255 255 255 Weiß volle Pulle

Jede LED hat beim Wert von 255 ca. 20 mA. Wenn Weiß gezeigt wird sind das 60 mA. Bei mir sind das bei 200 LED´s 12,0 A. Da braucht man dann ein dickes Netzteil, oder man lässt die LED´s nur mit max. 150 laufen, was bei oft vielen LED´s hell genug ist. Auch wenn man nur mit einzelnen Farben arbeitet reduziert sich die Stromaufnahme.
-------------------------------------------------------------



Hier ist der Dateninput oben und ich musste den Datenausgang auch wieder auf diese Seite bringen, deshalb das blaue Kabel. (Es muss eine der kleinen senkrechten Sprossen am Hocker sein.)

HINWEIS: ich fixiere die Stripes immer sparsam mit Heißkleber an den Rändern, weil sich das verwendete Doppelklebeband partiell ablösen kann. Ich lasse beim Kleben aus Sicherheitsgründen immer etwas Abstand zur LED, wegen der Temperatur des Klebers. Ich gehe da Zickzack drüber. Es reichen hier und da ein kleine Fixierung.

 

Mikrocomputer Programmierung



Microcomputer von Atmel sind kleine Alleskönner. Ich nehme die gängigen Arduino ATmega328B Modelle. Sie sind so schnell wie ein alter 486´er, haben also eine Taktgeschwindigkeit von 16 MHz, einen Speicher von 256 kB, was ca. einem Programm von 256000 Buchstaben entspricht. Sie haben mehrere Bussysteme an Board, können Spannungen messen und digital kommunizieren. Ich bin nie an die Grenze gekommen. Sie sind auf kleinen Boards montiert, die nur ein paar cm groß sind. Es gibt noch kleinere, die Tiny heißen und auf den Fingernagel passen, aber weniger können.



Auf die Programmierung kann ich hier leider nicht eingehen, weil das ein eigenes, sehr umfangreiches Gebiet ist. Nur soviel: Programmieren ist keine Raketentechnik. Bei Interesse also ran an den Speck. Anfängern würde ich die Arduino-Umgebung empfehlen, weil es dort viele Hilfestellungen gibt und so viele Lösungen nur noch eingebettet und angepasst werden müssen. Auch die Programmierung der LED-Stripes ist hier schon realisiert. Also, das man sie ansprechen kann. Was, wann und bei welcher was passieren soll, muss man dann selber entscheiden und realisieren.

Ich programmiere in Bascom, einem Basic-Dialekt und programmiere über den ISP-Stecker aus dem Atmel-Studio heraus, benötige also zwei Programme. Woran ich mich gewöhnt habe, besonders, weil es sehr stabil klappt.
Montage die Erste

Die Rückwände sind aus Hartschaumplatten, ebenfalls mit 3 mm realisiert. Diese sind leidlich stabil und lassen sich mit dem Cuttermesser sehr genau schneiden. Auch die Grundplatte habe ich damit realisiert.
Ein paar Impressionen vom Start:



Erste Skizzen und festlegen der Umrisse.



Da gefühlt unendlich viel Stromleitungen zusammenkommen werden, entschied ich mich zwei Ringleitungen zu legen, kunstvoll mit unlackiertem verzinktem Blumenbindedraht um Schrauben gelegt. Hat sehr gut funktioniert.



Jetzt noch so einfach: kleben und verkabeln.



Oberseite fertig verkabelt. Auf der Unterseite habe ich noch ein kleines Rund geklebt, weil ich dachte, das es toll wäre, wenn der Boden unter dem Hocker gelegentlich in einer anderen Farbe strahlt.



Zur eigenen Erbauung. Mal ein Test der LED´s mit testweise aufgelegten Bögen. Ob auch nichts falsch gepolt ist. (War es wirklich einmal.) Habe immer Zwischenschritte getestet, ob alle LED´s gesund und ansprechbar.

 

Montage die Zweite

Die Montage der ersten kleinen Streben. Diese 12 kleinen Dinger haben so viel Arbeit gemacht, wie der ganze Rest zusammen. Ich musste je den Strom oben holen, mit der Datenleitung oben rein und von unten oben wieder raus, in den nächsten wieder rein. Bei der letzten unten raus, weil ich dann in die Querstrebe rein und durch ein Bein wieder oben raus. Also alles ganz einfach. Wie gesagt. Eine Datenleitung muss durch alle LED´s geführt werden.



Geprüft und es klappt mit den Rückwänden.



Viel Arbeit.



Hey, die ersten Beine stehen. Zwischen die Verbindungen habe ich kleine Platten aus Moosgummi geschoben, damit das Licht nicht innerhalb des Objektes ins nächste Element strahlt. Also nur dazwischengeschoben und vor dem Fixieren des Kabelbinders positioniert. Die Acrylflächen halten auch so etwas besser zusammen und können nicht mehr verrutschen.



Er steht. Erbauungstest musste sein. Alle LED´s leuchten, also stimmt die Datenleitung und der Strom.



Platte unten montiert und getestet. Finaler Test und Feierabend für heute.



Montage der Zwischenwände, die das Licht in den Stegen voneinander fernhalten.



Yep. Und da steht er. OK, da fehlt ein Tag Programmierung.

Endlich fertig und abreisebereit.

Hier noch im trauten Heim im Testbetrieb.

 




Endlich in der Ausstellung







Was ich beim Arbeiten nicht mehr missen möchte:

Das ist keine Werbeveranstaltung. Es ist lediglich meine Erfahrung. Ich bin kein Influencer.

Yokari Abisolierzange (ca. 15 €)
Dremel 3000 (ca. 55 €)
passende Minibohrer (ca. 9 €)
passender Standbohradapter (ca. 55 €)
Proxxon Minikreissäge (ca. 110 €)

Randparameter Hocker:

200 LED´s (Zufall)
190 Kabelbinder (dadurch stabil wie ein Überraschungsei)
1 qm Acryl und Hartschaumplatte zusammen
2 Wochen Arbeit