Es gibt viele Gründe nicht zu schreiben. Der größte Grund, nicht zu schreiben, bist du.

Sei dir bewusst, dass du selber dein größter Feind bist. Das ist jedenfalls bei mir so. Abends bin ich noch geflasht von meinem kleinen, neuen Text und morgends schaue ich noch einmal darüber und denke: Oh Gott, wer will so einen Quatsch lesen? In meinem Kopf redet dann mein Vater:

„… Was soll denn so ein Mist? Ich dachte, du hättest in der Schule aufgepasst und was ordentliches gelernt! Du machst dich doch lächerlich! Alle werden über dich lachen! Hör doch auf mit solchen Hirngespinsten! Du willst Schriftsteller werden? Das ich nicht lache! Geh arbeiten, damit was aus dir wird! …“

Meine ehemalige Deutschlehrerin höre ich ebenso:

„… Deine Geschichten sind wie dein letzter Deutschtest! Unterirdisch! Lese nochmal die Texte von Schiller und Brecht, die wir letzte Woche durchgenommen haben und dann vergleiche das einmal mit deinem Geschreibsel. Dann wird dir was auffallen. Deine Texte sind Nichts! Nicht die Tonerpatrone wert, das auszudrucken. Alle, alle anderen sind viel besser als du! Wie kommst genau du auf die Idee zu schreiben? Ich sage nur Rechtschreibung! Zudem bist du ja auch noch gelegentlich Legastheniker, wie du sagtest. Also, dass geht ja gar nicht. So jemand kann ja keine Texte schreiben! Dann wundern mich deine Noten ja auch nicht! …“

Erstaunlich, wie flüssig ich solch demütigenden Kram schreiben kann, oder?

Es sind meine eigenen, negativen Gedanken, an denen ich mich immer wieder selber reiben muss. Es sind meine inneren Stimmen, die mich hindern, die mich ständig begleiten und denen ich sagen muss: Haltet jetzt endlich mal die Klappe! Es reicht! Ich habe lange genug auf euch gehört und ihr habt mich in meiner Entwicklung behindert. Ich zeige euch hiermit meine Faust! Ich kenne endlich meinen Weg. Ich weiß, dass ich kein Rechtschreiblexikon bin! Ich schreibe krumm und schief! ich weiss, das ich kein Lektor bin! Ich habe nicht Germanistik studiert! Außerdem heisst Germanistik zu studieren auch nicht automatisch ein guter Schriftsteller zu werden. Irgendwann habe ich folgendes beschlossen und hochfeierlich meinen inneren Stimmen mitgeteilt. Vor dem Spiegel im Bad. Wisst ihr was? Es ist mir egal! Ich schreib trotzdem! Ich schreibe meinen Kram! Ich schreibe meinen nachdenklichen Geschichtchen! Punkt! Da könnt ihr euch auf den Kopp stellen.

Meine Deutschlehrerin ist schon lange tot. Sie war sehr erstaunt, als ich ihr beim 10-jährigen Klassenjubiläum gesagt habe, dass eine Kurzgeschichte von mir in einer Anthologie erschienen war. Wo ich doch so Sch… schlecht in Deutsch war und alles nur so mit Ach und Krach geschafft habe. Aber ich hatte mich im Studium auf eine Aufforderung einer Studentenzeitschrift gemeldet und mich getraut was zu schreiben. Und die haben das gedruckt. Und zum ersten Mal stand etwas von mir in einem Buch.

Übrigens hat Goethe furchtbar gesächselt. Hätte ich im Nachhinein meiner Deutschlehrerin auch gerne mal gesagt. Keine Ahnung, wer das Korrektur gelesen hat. Anscheinend ist niemand perfekt. Ich nicht, du nicht, niemand. Niemand ist zudem frei von Zweifeln. Man darf sich aber nicht von den Zweifeln blockieren lassen. Man darf sich von ihnen nicht abhalten lassen. Sie sind ja auch ein Schutz, das man nicht auf einmal so was schreibt, wie … da, da, da, … oder wadde hadde duda … Katzeklo Katzeko … und wird auf einmal berühmt. Nein, das sollte schon Hand und Fuss haben, was man so macht.

Mein Vater hat früher komisch auf meine Sachen reagiert und konnte sie nicht verstehen. Ich verstehe es heute, dass er so reagieren musste. Er hatte wohl auch Angst um mich. Er war früher sehr rational, weil er in einer Zeit aufgewachsen ist, in der Aufbau wichtig war und nicht so sehr die eigene, persönliche Entwicklung. Heute findet er alles toll von mir und liest es meiner Mutter vor, wenn ich mal was neues geschrieben habe. Mittlerweile schreibt er selber.

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